„So weit ist die Zukunft gar nicht mehr entfernt!“

Können technologische Innovationen jetzt und in Zukunft für den Alltag der Menschen spürbare Vorteile nach sich ziehen? Der Telemedizin wird hierbei jetzt und perspektivisch eine besondere Bedeutung zukommen. Fachbeitrag von Rainer Beckers  (GF ZTG Zentrum für Telematik und Telemedizin) im Rahmen eines Agenturprojektes zur „Digitalisierung in der Arbeitswelt“.

Die Herausforderung, ärztliche Expertise verteilen zu wollen, ist alles andere als neu. Grundsätzlich sind die Bedingungen für die Telemedizin vorteilhaft: Denn Telemedizin hat durch die Aufhebung des Fernbehandlungsverbotes eine neue Relevanz erhalten: Jeder Arzt darf jetzt auch unbekannte Patienten über Videosprechstunden behandeln, das war bis dato verboten. Die Videosprechstunde als Medium hat man weiterhin definiert und sich bundeweit auf eine Technik festgelegt. Es gibt hier nun keine technologischen Hemmnisse mehr, die es zu überwinden gilt. Die Technik ist herstellerunabhängig einsatzbereit und zertifiziert sicher – so weit ist die Zukunft also gar nicht mehr entfernt.

Bedarf an ortsunabhängiger medizinischer Versorgung wächst

Telemedizin vermag vorrangig Medizin mobil zu machen. Das macht die Medizin als solche nicht besser, aber das Instrumentarium der Telemedizin schafft die Voraussetzung, medizinische Versorgung besser zu verteilen. Es geht  um eine ortsunabhängige Versorgung – und der Bedarf hierfür wächst unzweifelhaft bundeweit und international.

Doch mit der realen Nutzung und Implementierung von Telemedizin sind einige Hürden verbunden: Zunächst einmal ist der Aufbau einer telemedizinischen Infrastruktur kostenintensiv: Hardware, Software, Technik zum einen und Prozesse, Schulungen etc. zum anderen. Das Implementieren von Telemedizin beinhaltet für die Ärztin / den Arzt aber immer auch eine Organisationsreform – auch  das kostet Geld und Zeit. Gegenwärtig rechnet sich das für viele noch nicht! Aufgrund struktureller Schwächen können telemedizinische Lösungen folglich noch nicht ausgerollt werden. Es muss verhindert werden, dass die Akteure im Gesundheitssystem Telemedizin als Zusatzbelastung im Alltag wahrnehmen – denn so kann natürlich keine Akzeptanz entstehen.

Erstmals ein einheitlicher technischer Standard im Gesundheitssektor

Die Telemedizin  wird die Präsenzmedizin immer nur ergänzen, auch wenn es nun häufiger vorkommen wird, dass Patienten und Ärzte erstmalig über eine Audio- bzw. Video-Verbindung miteinander kommunizieren. Ohne das gesamte System der Präsenzmedizin im Hintergrund würde ja auch so eine Art der Behandlung nicht dauerhaft funktionieren.

Es kommt auf eine gezielte Ergänzung und Abstimmung zwischen der Präsenzmedizin und Internetmedizin an. Keines von beiden ist „überflüssig“ oder entbehrlich. Nur so werden sich die tatsächlichen Vorteile für die Qualität der Versorgung einstellen. Insbesondere in der ländlichen Versorgung wird die intelligente Kombination aus beiden Elementen, also „realer“ und „virtueller“ Hausbesuch, einen erheblichen Beitrag zur Steigerung der Qualität leisten.

Wir müssen aufpassen, dass die neue ungehinderte Option telemedizinischer Konsultationen nicht alle anderen, teilweise wesentlich sinnvolleren Anwendungen überlagert. Videosprechstunden sind doch in erster Linie eine Erleichterung, da Wegezeiten entfallen. Nicht mehr und nicht weniger. Telemedizin ist aber mehr als diese Form der Behandlung über die Distanz. Ich denke vor allem an Telekooperation und Telemonitoring. Sie bedeuten eine bessere Medizin durch mehr Expertise und mehr Daten. Hier schlummern die Potenziale für die Versorgung und die Digitalstrategien der jeweiligen Bundesländer.

Rainer Beckers ist eHealth-Experte, ist Gesundheitswissenschaftler, und Philosoph mit den fachlichen Schwerpunkten Gesundheitsökonomie und Computersimulation als wissenschaftliche Methode. Seit 1989 im Gesundheitswesen beschäftigt, u.a. in der Forschung, bei Klinikträgern und Verbänden, wirke Beckers früh an Konzepten zur einrichtungsübergreifenden elektronischen Patientenakte mit. 2000 wechselte zur neu gegründeten ZTG Zentrum für Telematik und Telemedizin GmbH und startete als Bereichsleiter „Projekte und Beratung“ Innovationen wie die spezielle Nutzenbewertung der Telemedizin und das Pflegemonitoring. 2009 wurde er zum Geschäftsführer der ZTG bestellt und positionierte das vom Land NRW geförderte Kompetenzzentrum in der Telemedizin maßgeblich.

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